


Midsommar – diese für die Schweden wichtigste Nacht und der vorhergehende Tag Mitte Juni bedeutet nicht nur Tanz um die „Majstång“ und ausgelassenes Feiern bis in die Morgenstunden, es bedeutet auch, daß ganz Schweden bis Anfang August fast auf einmal im Urlaub ist – und den verbringen die meisten in ihrem eigenen wunderschönen Land. Da ist es dann auch nicht verwunderlich, wenn in Värmland Schwedens längster Fluß der nicht im Meer endet, der Klarälven, von erholungssuchenden Menschen übervölkert wird, zumal auch noch viele Holländer und Deutsche zu dieser Zeit dort ihre Freizeit verbringen. Dazu kam, daß ich mir für meine Flußwanderung auch noch das letzte Wochenende im Juli und laut Vorhersage bestes Wetter ausgesucht hatte. Ich erwartete also volle Strände und Sandbänke, überquellende Campingplätze und Rastplätze und viel viel Verkehr auf den Straßen, die am Fluß vorbeiführen. Doch weit gefehlt! Ich kann es vorwegnehmen, es war absolut erholsam und vergleichsweise kaum etwas los in und am Wasser – es sollte eine herrliche, erholsame und abenteuerliche Erfahrung werden!






Zuhause in Berga lud ich also mein schönes Tahe-Marine-Kajak auf´s Dach unserer Familienkutsche und meine Mutter auf den Beifahrersitz. Ursprünglich wollte ich das Boot für die Tour nach Edebäck in der Nähe von Sysslebäck bei Branäs ins Wasser lassen, aber aus Zeitgründen musste ich ein wenig abkürzen und fuhr mit meinem ganzen Equipment, Zelt, Schlafsack, Isomatte, Kocher, Lebensmittel usw, nach Månäs in der Nähe von Ambjörby. Hier gibt es direkt an der Brücke einen schönen Wasserwander-Rastplatz mit Vindskydd, Feuerstelle, Plumpsklo und jeder Menge Möglichkeiten, sein Zelt aufzustellen. Und natürlich einen Strand, an dem man das Boot problemlos in´s Wasser bringen kann.







Wärend meine Mutter mit dem Wagen wieder die 55 Kilometer zurück nach Hause fuhr, belud ich mein Boot und machte mich auf den Weg. Schon nach wenigen Metern wich die Anspannung und der Stress der Vorbereitung einem unheimlich schönen Gefühl der Ruhe. Vor mir trudelte ein Floß mit ein paar abenteuerlustigen Leuten in der Strömung flussabwärts, ab und an konnte man noch die nahe Strasse 62 hören, aber das Naturerlebnis, die Ruhe und die sanfte Strömung waren sofort da und ließen mich herunterfahren – ein Modus, der sich bis zu meinem Ziel in Ekshärad (bis auf ein einziges Mal) nicht mehr ändern sollte.






Im Sommer ist der Wasserstand des Klarälven in der Regel so niedrig, daß an dem Abschnitt Sysslebäck – Edebäck nahezu überall wunderschöne Sandbänke oder Strände vorzufinden sind, die ideale Voraussetzungen für Schwimm- und Erholungspausen oder Übernachtungen mit dem Zelt bieten. Natürlich muss man den Wetterbericht im Auge behalten, denn bei länger anhaltendem Regen sollte man dort lieber nicht übernachten, da sich der Wasserstand dann auch schnell mal ändern kann. Ich hatte aber das Glück, wunderschöne Sonnentage dort zu erleben und konnte bedenkenlos und fast alleine dort rasten, schwimmen, kochen, sonnenbaden, die Flora und Fauna begutachten und zelten – einfach ein Traum!











Die Infrastruktur für Wasserwanderer ist dabei vorbildlich, es gibt eigentlich nichts was man vermissen könnte. Neben den unzähligen Möglichkeiten, wild zu campen gibt es wie erwähnt auch mehrere kostenlose Wasserwander-Rastplätze mit Windschutzhütten und Plumpsklos, einige schöne Campingplätze mit allem erdenklichen Komfort sowie in den Siedlungen und Ortschaften entlang der Strecke Läden und kleine Supermärkte, wo man seinen Proviant wieder auffüllen kann. Diese werden in der Regel mit Tafeln am Ufer angekündigt, so daß man sie eigentlich kaum verfehlen kann. Wer Trinkwasser benötigt, wird dort oder an den Campingplätzen fündig, hier kann man auch seine Abfälle entsorgen. Ich bezog mein Trinkwasser direkt aus dem Fluß, mit meinem kleinen Sawyer-Mini Wasserfilter ist das total unkompliziert.






Die erste erwähnenswerte Ortschaft nach Ambjörby ist Stöllet. Hier führt die Europastraße E45/E16 über eine Brücke und direkt dort befindet sich eine Station des Outdoor-Spezialisten „Vildmark i Värmland“. Hier kann man unter Aufsicht sein eigenes Floß für eine Tour auf dem Fluß zusammenbauen und weitere Outdoor-Aktivitäten buchen. Als ich dort gemächlich vorbeipaddelte, war gerade ein ganzer Schwung junger Leute damit beschäftigt, Floße zu bauen. Interessant zu beobachten 🙂
Eine weitere große Brücke folgt wenige hundert Meter hinter Stöllet, sie ist nur noch für Fußgänger passierbar – hier gibt es übrigens einen sehr schönen Geocache 🙂
Paddelt man nochmal ein paar Meter weiter, kann man eine Besonderheit entdecken – ein Badestrand für Kühe und Ochsen. Mit etwas Glück liegen die gemütlichen Tiere im Wasser und genießen ausgedehnte Sonnenbäder, während sie dem Treiben auf dem Fluß zusehen. Ich hatte Pech, sie waren gerade mit etwas anderem beschäftigt. Rinder sind eben auch nur Menschen.







In diesem Bereich, irgendwo zwischen Stöllet und Norra Torp fand ich dann auch eine schöne Sandbank, auf der ich es mir für die Nacht gemütlich machte. Insgesamt war ich heute 23 Kilometer unterwegs, hätte ich nicht Ersatzakkus für mein Garmin GPS zu Hause vergessen, könnte ich diese Information auch für die nächsten beiden Etappen liefern. Nach dem Abendessen und dem obligatorischen Einsprühen gegen lästige Mücken konnte ich einen wirklich besonders sehenswerten Sonnenuntergang genießen – ein herrlicher Tag ging zu Ende!









Der nächste Morgen begrüßte mich mit strahlendem Sonnenschein, während mystische Nebelschwaden auf dem Wasser waberten. Ein herrlicher Anblick. Ich hatte am Abend noch meinen Standort von einem ziemlich feuchten Stück Wiese am Rand der Sandbank direkt auf den Sand an´s Wasser verlegt, eine gute Entscheidung! Durch das offene Zelt hatte ich nun einen wundervollen Ausblick auf das Wasser und so konnte ich noch vor dem Frühstück ein erfischendes Bad im Fluß nehmen, während das Kaffeewasser in meinem Trangia bereits langsam heiß wurde. Traumhaft!






















Nach einem ausgiebigen Frühstück und viel Kaffee kam ich gegen 10 Uhr langsam wieder in die Pötte – zu schön war dieser Morgen und zu gemütlich war es, am Wasser zu sitzen und den wenigen anderen Menschen auf SUP´s, Kanus, Kajaks, Floßen zuzusehen, wie sie langsam flußabwärts zogen. Faszinierend auch die verschiedenen Tiere, die ich an dieser Stelle beobachten konnte, besonders eine beeindruckende Biberburg zog mich in ihren Bann – leider ließ sich der Hausherr nicht blicken. Vermutlich auch ein Langschläfer wie ich. Ich belud also wieder mein Boot und paddelte weiter. Teilweise umgab mich absolute Stille während ich mich von der Strömung treiben ließ. So kann man es doch aushalten.












An einem wunderschön gelegenen Sandstrand mit dünenartiger Erhebung blieb ich für eine ausgiebige Mittagspause. Dieser Platz, genau in einer Kurve des mäandernden Flusses gelegen, wäre auch ideal zum Wildcamping geeignet, bietet er doch etwa 5 Meter über der Wasserfläche ein paar schöne ebene Zeltplätze mit Feuerstelle. Ich war dafür allerdings noch viel zu früh, so beließ ich es bei meinem Mittagsessen und ein paar erfischenden Schwimmzügen im klaren, kühlen Wasser.





Gegen Nachmittag bewölkte sich der Himmel zusehends, aber große Sorgen, Regen abzubekommen musste ich mir nicht machen. Bemerkenswert aber war der Himmel, ein derart einmaliges, beinahe künstlerisches Wolkenbild sieht man auch nicht alle Tage, eine Augenweide und ich war mal wieder heilfroh, meine gute (nahezu 10 Jahre) alte Canon EOS 5D MK3 im Gepäck zu haben, eine Vollformatkamera, die mit dem entsprechenden Objektiv sogar wetterfest, also spritzwassergeschützt ist. Ein Segen!

Ein paar hundert Meter, bevor die Strasse 62 auf der Brücke bei Fastnäs über den Klarälven führt, befindet sich links ein ausgedehnter Sandstrand mit einem relativ unscheinbaren Zugang zu einem höhergelegenen Platz. Dort befindet sich der Wasserwander-Rastplatz von Åstrand, an dem ich leider auch etwas zu früh ankam. Dennoch nahm ich mir die Zeit, ihn ausgiebig zu erkunden und war begeistert. Eine riesige gepflegte Rasenfläche bietet Platz für viele Zelte, eine Vindskydd samt Feuerstelle ist ebenso vorhanden wie 2 große rustikale Sitzgruppen mit Tischen und herrlichen Blick auf den Fluß. Auch eine Toilette gibt es, alles in einem der vielleicht schönste Platz für eine Übernachtung auf dieser Tour. Und kein Mensch hier. Das ist Schweden. Herrlich!












Etwa ein Kilometer nach der Brücke von Fastnäs liegt rechterhand der Campingplatz Allevi, der an diesem Tag einen ziemlich vollen Eindruck machte. Viele Menschen standen in der Platzmitte in einer großen Ansammlung und schienen auf irgendetwas zu warten. Ich paddelte weiter, an einem Fliegenfischer und vielen freundlichen Gänsen vorbei, bis ich nach weiteren ca. eineinhalb Kilometern genug für heute hatte und einen Übernachtungsplatz suchte. Ich fand einen, an einer kleinen Bucht rechts mitten in einer Kurve des Flusses führte ein Weg ein paar Meter nach oben. Dort gab es eine Feuerstelle und eine kleine verschlossene Stuga, möglicherweise eine Fischer- oder Jagdhütte. Hier gab es mehrere Möglichkeiten zu zelten und weil die Hütte leer und verschlossen war und heute vermutlich auch blieb, beschloss ich, hier zu übernachten. Ich war doch ziemlich erschöpft und dieser Platz zu verlockend. Allerdings störte mich ein ständig über einen recht langen Zeitraum über mir kreisender Hubschrauber und im Zusammenhang mit der Menschenansammlung auf dem Campingplatz Allevi vermutete ich eine vermisste Person oder einen ähnlichen Notfall – erst zu Hause fand ich heraus, daß dieser Campingplatz an den letzten Wochenenden im Sommer regelmäßig Hubschrauberrundflüge anbietet. Wie banal. Zum Glück, auch wenn ich persönlich derartige Abenteuer heutzutage etwas fragwürdig finde. Und lästig obendrein.































Für den folgenden Tag war nachmittags Regen angesagt, daher nahm ich mir vor, etwas früher in die Puschen zu kommen und ich vertraute vollkommen meinem Schlafrythmus. Hätte ich mir mal besser einen Wecker gestellt, erst die warme Morgensonne weckte mich gegen 9 Uhr und so war es wieder ziemlich spät, als ich schließlich alles in mein Boot gepackt hatte und endlich lospaddelte. Die weiteren Kilometer in Richtung Ekshärad verliefen erst mal recht unspektakulär, an mir zogen schöne Landschaften mit hübschen Schwedenhäuschen vorbei und der Fluß wurde immer breiter. Gegen Mittag verdunkelte sich der Himmel tatsächlich und ich überlegte, ob ich meine Tour nicht lieber doch schon in Ekshärad beenden sollte. Ursprünglich wollte ich bis zum Strand von „Vildmark i Värmland“ bei Edebäck paddeln, aber das hätte mich einen Tag mehr bei schlechtem Wetter gekostet. Also „nur“ bis Ekshärad. Etwa drei Kilometer vor meinem Ziel durchfuhr ich die einzige etwas knifflige Stelle der gesamten Strecke, dort wo einige kleinere und größere Sandbänke in´s Wasser ragten war die Fahrrine nur schwer ersichtlich, Untiefen und Flachwasserstellen wechselten sich plötzlich ab und Strudel sowie starke Strömung sorgten für erhöhte Aufmerksamkeit. Natürlich wählte ich den falschen Weg durch die Mitte des Flusses, richtig wäre es gewesen, links mit der Strömung im tiefen Wasser zu passieren, so kam es, daß ich mein Boot einige Meter treideln, also ziehen musste – gar nicht so einfach, wenn die Strömung im flachen Wasser den Sand unter den Füßen wegspült. Ich erreichte schließlich eine schöne Bucht in einer Sandbank und machte erst mal ausgiebig Pause und Mittagessen.












Während ich mir gemütlich meine Nudeln im Trangia kochte, konnte ich einige Kajaks und ein paar mit Familien besetzte Kanus beobachten, wie sie die Stelle problemlos links passierten. Gerade als ich alles wieder zusammengepackt hatte, entdeckte ich in einiger Entfernung flußaufwärts jedoch einen Solopaddler mit einem Kanu, der den selben Weg wie ich durch die Mitte des Flusses nahm und prompt aufsetzte. Auch er stieg aus und versuchte sein Boot zu ziehen (ohne Leine!), als es ihm plötzlich die Füße wegzog und er im Wasser verschwand. Bei dem Versuch, sich gleichzeitig an seinem Kanu festzuhalten und es vor dem davonschwimmen zu sichern, kippte das Boot um und lief voll. Da sein Boot nun am Grund des Flusses lag und nur noch ein paar Zentimeter aus dem Wasser ragte, konnte es wenigstens nicht mehr davonschwimmen, so konnte er sich auf die Jagd nach seinen davontreibenden Sachen machen, Handy, Schuhe, Rucksack usw. Wenigstens den Rucksack – natürlich nicht wasserdicht – bekam er zu fassen. Ich machte mich mit meinem Kajak auf dem Weg zu ihm und half ihm, sein Kanu aus dem Flachwasser zu bergen. Mit Hilfe einer hölländischen Familie, die gerade in ihrem Kanu vorbeikam, klappte das schließlich auch nach einiger Zeit, gemeinsam schaufelten wir das Wasser aus dem Kanu und brachten es auf der Sandbank in Sicherheit. Inzwischen war es ziemlich frisch geworden und der Himmel nahezu komplett zugezogen. Dem pudelnassen Paddler, übrigens auch aus Holland, gab ich noch ein großes Handtuch zum Abtrocknen und wärmen, dann paddelte ich weiter. Auch er nahm unter Beobachtung der Familie im Kanu wieder Fahrt auf. Da ich natürlich mit dem Kajak deutlich schneller war als die Kanuten, erreichte ich Ekshärad beinahe im Trockenen, etwa 300 Meter vor der berühmten Brücke, von den Einwohnern Ekshärads liebevoll „Golden Gate“ genannt, begann es schließlich wie aus Eimern zu schütten. Ich machte es mir erst mal unter der Brücke gemütlich, zog mir trockene Klamotten an und kochte Kaffee. Nach einiger Zeit kamen endlich auch meine holländischen Bekanntschaften vorbeigepaddelt, pudelnass und teilweise im wahrsten Sinne des Wortes angepisst paddelten sie im strömenden Regen ihrem nahen Ziel entgegen, dem Campingplatz Byn in Ekshärad.












Für mich war diese tolle Reise hier zu Ende. Ich wartete noch, bis der Regen nachließ, bevor mich meine Mutter hier an dieser Stelle wieder abholte. Erwähnenswert vielleicht noch, daß ich Menschen blöd finde, die ihre Hunde direkt auf Wege und Pfade kacken lassen, ohne sich um die Hinterlassenschaften zu kümmern, aber das soll meine Begeisterung für diese Tour nicht schmälern. Es war einfach wunderschön und ich kann jedem dieses Erlebnis nur empfehlen.











Wer sich übrigens ein Kanu oder Kajak ausleihen möchte, dem kann ich die liebenswerten und hilfsbereiten Leute von Outdoor-Center Värmland in Edebäck wärmstens empfehlen! Erreichbar unter:
https://outdoorcentervarmland.com
